Im Alltag stehen wir oft vor Konflikten zwischen unseren sinnlichen Bedürfnissen und unserem Gewissen – sei es der "innere Schweinehund", körperliche Begierden oder unser Konsumverhalten. Solche Spannungen waren auch im Barock deutlich sichtbar, als weltlicher Humanismus, barocker Exzess, ethische Tugenden und die moralischen Grundsätze der Kirche aufeinanderprallten. In den Künsten stellte sich daher immer häufiger die Frage nach dem "guten Leben" und der eigenen Position im Spannungsfeld von Lust und Ethik.
Für die Saison 2024 präsentieren wir Ihnen unter der Leitung des Lautenisten Bernhard Reichel drei aufregende Konzertprogramme, die verschiedene Aspekte dieser Thematik beleuchten:
Im Februar erzählen wir die faszinierende Geschichte des Meisterkochs Bartolomeo Scappi und seines spektakulären Mittagessens für den streng asketischen Papst Pius V. Von den 189 Gerichten, die der Pontifex ablehnte, servieren wir Ihnen eine Auswahl nach Originalrezepten, begleitet von heiterer Musik rund um das Thema „Essen“. Lassen Sie sich von der Berliner Köchin und Spezialistin für historische italienische Kochkunst, Birgitt Claus, verwöhnen, und entdecken Sie mit uns die kulinarischen und musikalischen Genüsse der Renaissance!
Emilio de’ Cavalieris Meisterwerk "Rappresentatione di Anima et di Corpo" (1600) behandelt die inneren Konflikte zwischen Hedonismus und Moral. In dieser Oper sucht ein Mensch, verkörpert durch allegorische Figuren wie Seele, Körper, Herz und Verstand, nach dem wahren Glück. Mit einer internationalen Starbesetzung um die Sopranistin Hana Blažíková führen wir dieses dramma per musica im Mai konzertant im Bremer Sendesaal auf.
Unser szenisches Musiktheater im Oktober, "Serenata tragicomica - Mosaik der Gegensätze", vereint Adriano Banchieris rasante Madrigalkomödie "Il Metamorfosi Musicale" (1601) mit der tragischen Mini-Oper "Orfeo dolente" (1616) von Domenico Belli zu einem mitreißenden Abend in der Bremer Schaulust. In einem tragikomischen Spiel um Liebe, Verführung, Moral und Amoral teilen sich weltbekannte Spitzensänger:innen wie Marc Mauillon, Benedetta Mazzucato und Dominik Wörner die Bühne mit Commedia dell’arte-Schauspieler:innen. Für die szenische Umsetzung sorgt die junge spanische Opernregisseurin Ana Cuéllar Velasco. Erleben Sie eine Darbietung voller Überraschungen, humorvoller Momente, emotionaler Augenblicke und natürlich beeindruckender Musik!
Wir blicken mit Vorfreude auf ein spannendes Jahr und freuen uns auf Sie!
Ihr
Bernhard Reichel
10. FEBRUAR 2024 | 19 UHR & 11. FEBRUAR 2924 | 13 UHR
Institut français Bremen
EIN MITTAGESSEN IM VATIKAN 1567
Die kulinarischen Abenteuer des Bartolomeo Scappi
Musik von u.a. Clement Janequin & Orlando di Lasso
mit Buffet nach historischen Rezepten von eßkultur Berlin
William Shelton | Alt, Loïc Paulin | Tenor, Jan van Elsacker | Tenor, Sebastian Myrus | Bass
Bernhard Reichel | Laute, Julius Lorscheider | Spinett
25. MAI 2024 | 20 UHR
Sendesaal Bremen
RAPPRESENTATIONE DI ANIMA ET DI CORPO
von Emilio de’ Cavalieri (1550 - 1602)
Das Spiel von Seele und Körper | Libretto: Agostino Manni
Oper in 3 Akten | Konzertante Aufführung
2. & 3. OKTOBER 2024 | 19:30 UHR
Schaulust am Güterbahnhof Bremen
Inszeniertes Barockes Musiktheater:
SERENATA TRAGICOMICA - Mosaik der Gegensätze
Domenico Belli „Orfeo dolente“ & Adriano Banchieri „Il Metamorfosi Musicale“
„meraviglia e stupore“ | Römische Wunderkammern 2023
„Wenn also etwas Neues, Plötzliches und Unerwartetes vor uns auftaucht,
entsteht in unserer Seele eine Bewegung, die in sich selbst fast widersprüchlich ist,
nämlich zu glauben oder nicht zu glauben.
Zu glauben, weil man sieht, dass das Ding existiert, und nicht zu glauben,
weil es unerwartet und neu ist und vorher von uns weder gewusst,
noch gedacht, noch für möglich gehalten wurde.“
Francesco Patrizi, 1587
Als „Svogliatura del secolo“ (Langeweile des Jahrhunderts) wurde der Beginn des römischen Seicento charakterisiert. Vorbei war die wirtschaftliche und kulturelle Blüte des Bürgertums, gleichzeitig schränkte die katholische Kirche mit der Gegenreformation die Freiheit der Künste drastisch ein: Übrig blieb eine zu Tode gelangweilte Aristokratie.
Um sich von ihrer Gleichgültigkeit zu befreien, wandten sich die Kunstmäzene zunehmend dekadenten und extravaganten Kunststilen zu, den sogenannten „cose meravigliose“. Kuriositäten, bizarre Kunstwerke, antike Funde und Naturphänomene, die Verwunderung und Staunen hervorzubringen vermochten, wurden in den Galerien dieser Zeit gesammelt. Frei nach Aristoteles wurde das Staunen selbst zu einem Weg höherer Erkenntnis stilisiert – Verwunderung als Auslöser kritischen Denkens über das nur scheinbar Selbstverständliche.
„Musica getutscht“ öffnet 2023 römische Wunderkammern und präsentiert Kunst, die - damals wie heute - Staunen lässt: Das Eröffnungskonzert des Zyklus verfolgt „Effetti meravigliosi“ in manieristischer Musik und Literatur, das Programm „Teatro armonico spirituale“ erzählt, wie Emilio de’ Cavalieri 1597 die Besucher*innen der Gottesdienste mit seiner modernen, theatralisch- expressiven Musik in Staunen versetzte. Über „Die Göttlichen“ der römischen Renaissance, den Maler Michelangelo Buonarotti und den Schriftsteller Pietro Aretino, deren atemberaubende Kunstwerke keiner Menschenhand zugetraut wurden, führt der Weg in Athanasius Kirchers Wunderkammer, mit all ihren Musikmaschinen und enharmonischen Experimenten.
18. Februar 2023 19 Uhr | St. Remberti Kirche Bremen -> TICKETS
19. Februar 2023 17 Uhr | St. Lamberti Kirche Oldenburg
Effetti meravigliosi – Musik für die „Accademia degli Umoristi"
Werke von u.a. Giovanni Girolamo Kapsberger, Claudio Monteverdi und Paolo Quagliati
Viola Blache & Erika Tandiono | Canto, William Shelton | Alto,
Mirko Ludwig | Tenore, Sebastian Myrus | Basso
Mechthild Karkow & Rebecca Raimondi | Violine
Bernhard Reichel | Chitarrone
Julius Lorscheider | Cembalo
2. Juni 2023 19.30 Uhr | St. Ansgar Kirche Oldenburg
3. Juni 2023 19 Uhr | St. Remberti Kirche Bremen -> TICKETS
Teatro armonico spirituale – „Lamentationes“ von Emilio de’ Cavalieri
Erika Tandiono & Franz Vitzthum | Canto
David Erler | Alto
Riccardo Pisani & Mirko Ludwig | Tenore
Sebastian Myrus | Basso
Frauke Hess | Lirone
Bernhard Reichel | Chitarrone
Julius Lorscheider | Cembalo
2. September 2023 19 Uhr | St. Remberti Kirche Bremen ->TICKETS
3. September 2023 18 Uhr | Dreifaltigkeitskirche Oldenburg
Die Göttlichen – Michelangelo Buonarotti und Pietro Aretino
Musik von u.a. Bartolomeo Tromboncino, Philippe Verdelot und Jakob Arcadelt
Marc Mauillon | Tenor
Bernhard Reichel | Laute
Julius Lorscheider | Cembalo
28. Oktober 2023 19 Uhr | St. Remberti Kirche Bremen -> TICKETS
29. Oktober 2023 17 Uhr | St. Lamberti Kirche Oldenburg
Macrocosmo in microcosmo – Athanasius Kirchers Wunderkammer
Vieltönige Musik von u.a. Domenico Mazzocchi
Hana Blažíková | Sopran
Christian Heim, Lea Rahel Bader, Marthe Perl,
Julia Vetö, Juliane Bruckmann | Viola da Gamba
Julius Lorscheider | Cimbalo cromatico
Bernhard Reichel | Chitarrone
Am Anfang stand eine kurze, nur gut hundertseitige Schrift aus dem Zeitalter der Renaissance. Mit seiner Erzählung von der entlegenen Insel Utopia (1516) kreierte Thomas Morus nicht nur ein neues Wort, sondern bereicherte auch zahlreiche Sprachen dieser Welt um die Vokabel.
Aus dem Eigennamen für den Schauplatz von Morus’ Fiktion wurde bald die Bezeichnung für ein literarisches Genre, später ein allgemeiner Begriff, letztlich ein vieldeutiges Schlagwort.
Utopien sind in ihrer klassischen Ausprägung fast allesamt Gedankenexperimente, die in erster Linie der zeitgenössischen Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Utopische Kunst führt die Rezipient*innen in alternative Welten und verfolgt damit das Anliegen, diese mit geschärften Blick in die Realität zurückkehren zu lassen. Sie erschöpft sich nicht im Porträt einer imaginären Welt, mindest ebenso bedeutsam erscheint die Diagnose der Gegenwart, die Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Verhältnissen der Zeit.
Dabei geht es weniger darum die geschilderte Fiktion in die Wirklichkeit zu überführen, sondern durch die Betrachtungen utopischer Welten die Defizite der Herkunftsgesellschaft umso deutlicher erkennbar zu machen. Die Aufgabe des Nachdenkens und der Bewertung wird dem Publikum übertragen und in dieser Weise ist der Aufruf zur eigenen Urteilsbildung erkennbar. Utopien sind, so gesehen, Herausforderung des Denkens und Provokation der Gegenwart.
Sie wecken Bewusstsein, fordern Antworten und suchen Lösungen.
Mit dem Konzertzyklus „Utopien“ 2022 führt das Ensemble „Musica getutscht“ sein Publikum in imaginäre Welten der Renaissance und des Frühbarock.
Die Reise führt über die Insel „Utopia“ nach „Arkadien“, über die „Stadt der Frauen“ in „verkehrte Welten“.
Mechthild Karkow // Violine
Claudius Kamp // Blockflöte
Sebastian Flaig // Perkussion
Julio Caballero Pérez // Cembalo
Bernhard Reichel // Chitarrone
Cornelia Fahrion // Sopran
Erika Tandiono // Sopran
Alexander von Heißen // Cembalo
Bernhard Reichel // Chitarrone
Emma Kirkby // Sopran
Christian Volkmann // Tenor
Nina Böhlke // Alt
Sönke Tams Freier // Bass
Julius Lorscheider // Virginal
Bernhard Reichel // Laute
Magdalena Podkoscielna // Sopran
Erika Tandiono // Sopran
Oscar Verhaar // Alt
Mirko Ludwig // Tenor
Dominik Wörner // Bass
Julius Lorscheider // Cembalo
Bernhard Reichel // Chitarrone
Musik von u.a. Verdelot, Arcadelt, Tromboncino und Frescobaldi nach Texten von Petrarca, Michelangelo, Pietro Bembo und Machiavelli
Anne Richter // Sopran
Bernhard Reichel // Laute
Julius Lorscheider // Cembalo
Caravaggio & Monteverdi 2021: Das Erwachen der Emotion
2021 jährt sich zum 450. Mal der Geburtstag eines der berüchtigtsten Maler der Kunstgeschichte: Michelangelo Merisi da Caravaggio. Er prügelte und trank, war wegen Todschlags auf jahrelanger Flucht und ließ Sexarbeiter*innen für die Heiligenfiguren seiner Gemälde Modell stehen.
Dieser faszinierende Künstler brachte einige revolutionären Neuerungen in die Malerei ein, die genau mit der radikalen Wende zusammenfielen, die sich zur gleichen Zeit in der Musikwelt vollzog: Während Caravaggio mit seiner realistisch-dramatischen Helldunkel-Malerei zur Geburt des Barocken in der bildenden Kunst beitrug, krempelte Claudio Monteverdi die Musikwelt um...
„...dass man mit den Weinenden weine und den Lachenden lache!“ - Horaz
Um 1600 rückte das Interesse an der Darstellung und Übertragung der Affekte so stark in den Vordergrund von Kunsttheorie und künstlerischer Praxis, dass man von einem veritablen „Zeitalter der Affekte“ sprechen kann: Das Publikum wollte Gefühl sehen und hören! Und die Künstler natürlich ebenfalls.
Was Autoren des Altertums vor allem in der Dichtkunst gefordert hatten – dass sie nicht nur belehren (docere) und erfreuen (delectare), sondern auch emotional bewegen (movere) möge – , wurde mit Caravaggio und Monteverdi auch charakteristisch für die barocke Malerei und Musik. Beide entwickelten neuartige Kunstkniffe, die es überhaupt erst ermöglichten, die Darstellung des Seelenlebens auszuloten, Grenzen des Visionären und Ekstatischen zu tangieren und die psychischen Aspekte des Lebens komplexer und nuancierter in Bild und Klang umzusetzen, als das je zuvor versucht worden war.
Der Konzertzyklus von „Musica getutscht“ in Bremen und Oldenburg soll nun auch dem heutigen Publikum einen Eindruck davon vermitteln, wie diese beiden revolutionären Künstler zeitgleich die künstlerische Nachwelt prägten. Dafür stellen wir in unserer Konzertreihe Kompositionen Monteverdis und seiner Zeitgenossen jeweils Bilder von Caravaggio gegenüber, so dass erkennbar wird, wie ähnlich diese Emotionalisierung in Musik und bildender Kunst seinerzeit vor sich ging.
Die Passion Christi aus der Perspektive der Jungfrau Maria und Maria Magdalena
Werke von Claudio Monteverdi und Zeitgenossen
Pia Davila // Sopran
Bernhard Reichel // Chitarrone
Julius Lorscheider // Cembalo
„Caravaggios Narziss und die Vanitas“
Marie Luise Werneburg // Sopran Anna Kellnhofer // Sopran
Bernhard Reichel // Chitarrone Julius Lorscheider // Cembalo
„La capella di Monteverdi“
Biagio Marinis „Affetti musicali“ 1617 & Dario Castellos „Sonate concertate“ 1621 & 1629
Mirjam - Luise Münzel // Blockflöte und Violoncello
Claudius Kamp // Dulzian und Blockflöte
Bernhard Reichel // Chitarrone
Julius Lorscheider // Cembalo
„Amor vincit omnia!“
Monteverdis „Madrigali guerrieri et amorosi“
Mirko Ludwig // Tenor
Christian Volkmann // Tenor Bernhard Reichel // Chitarrone
Julius Lorscheider // Cembalo